Für Flori

 

Jemand hat gesagt, dass Gott dafür sorgt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Und das ist ja auch gut so, denn bestimmt käme jemand auf die Idee hinauf zu klettern und nachzusehen, wie es dort aussieht.

 

Unsere Bäume sind schon recht hoch gewachsen. Es geht uns gut, wir sind gesund, brauchen uns nach vielen Jahren der Berufstätigkeit nicht mehr mit den Widrigkeiten von Job und Arbeitgebern herumschlagen, haben eine Familie, auf die wir stolz sein können und vier Kater, die uns das Leben abwechslungsreich gestalten.

 

Nun, damit es uns nicht zu wohl wird, hat irgend jemand beschlossen, uns daran zu erinnern, dass es uns an Demut fehlt. 

 

Zeitpunkt: Dienstag, 21. März 2006 am frühen Nachmittag. Ein Anruf – und die heile Welt lag in Scherben.

 

Wen kann ich dafür verantwortlich machen?

Gott: Weil er es zugelassen hat?

Den Autofahrer: Weil er ausgerechnet in dieser Sekunden einen bestimmten Teil der Strasse befahren hat?

Puschel: Weil er Flori mal wieder geärgert und ihn damit aus dem Haus getrieben hat?

Die Leute, die Puschel ausgesetzt haben: Weil durch diese Handlung Puschel erst zu uns kam?

Mich: weil ich Flori nicht ermuntert habe nach oben zu gehen, sondern ihn vor der Katzenklappe hab sitzen lassen?

Wen?????

 

10 Jahre lang durften wir mit ihm leben. Er kam als „Tröster“ für Mickey ins Haus, der ebenfalls auf die gleiche Art ums Leben gekommen ist und den wir immer noch vermissen. Mickey blieb verschwunden und wir konnten ihn nicht begraben, es blieb uns nur sein Halsband.

Flori konnten wir nach Hause holen, er war äußerlich unverletzt, kein Blut, er lag nur da und schaute uns an. Ein schwerer Schlag und sein kleines Leben war auf der Stelle ausgelöscht. Kein Schmerz, er schaute irgendwie überrascht aus, als würde er nicht verstehen, was gerade geschehen war. 

In ein Handtuch gewickelt haben wir ihn nach Hause getragen, die Frau, die uns angerufen hat – danke Anja Schwolgien – gab uns das aufgebrochene Halsband. Wir legten ihn im Wohnzimmer auf das Sofa, nichts deutete darauf hin, dass er tot ist. Später brachten wir ihn ins Büro und weinten uns eng aneinander gepresst in den Schlaf. 

Ein neuer Tag begann, kein Flori kam ins Schlafzimmer um uns mit seinen sanften Pfoten zu wecken, kein Schnurren – Stille.

Die Tage verbrachten wir wie in Watte gepackt, tagsüber gab es Abwechslung, oder wir haben sie uns gesucht um nicht an unser Leid zu denken. Wir haben kaum über ihn gesprochen, nur immer wieder sind wir nach oben um ihn anzuschauen, wie er da liegt und sein weiches Fell zu streicheln. 

Am Freitag Mittag – es läuteten die Kirchenglocken – haben wir es endlich fertig gebracht ihn zu begraben. Sein Grab liegt in der Sonne und wir haben ihm die schönsten Frühlingsblumen gepflanzt. 

 

Er war so klein, als er im Juli 1996 zu uns kam. Wir haben ihm ein Halsband angezogen und sind mit ihm im Garten spazieren gegangen. Wir wollten nicht, dass ihm ja das Gleiche passiert wie Mickey. 

Wir konnten es nicht verhindern! 

Er wollte das Halsband nicht, natürlich nicht, wir haben es eingesehen. Und so verbrachten wir Tage und Nächte, in denen wir auf seine leisen Pfoten gewartet haben. Irgend wann haben wir vergessen, wie schnell etwas passieren kann. Im Sommer 1997 wurde er krank, so schwer krank, dass wir dachten, wir würden ihn verlieren. Die Tierärztin diagnostizierte Bauchspeicheldrüsenkrebs – aber sie hatte Unrecht. Flori wurde wieder gesund, aber er blieb zeitlebens ein zarter Kater, rank und schlank und wunderschön. 

Ein Jahr nachdem wir nach Sessenheim gezogen waren, kam er verletzt nach Hause, sein liebes Gesichtchen war blutverschmiert, ein Eckzahn abgebrochen. Wir wissen bis heute nicht, was damals geschah, vermuteten aber einen Autounfall. Wir brachten ihn zum Arzt, zum Glück war nichts gebrochen, sein Köpfchen sah schlimmer aus, als die Verletzungen waren. Wir hatten so grosse Angst um ihn, aber er wollte nach einigen Tagen wieder nach draussen. 

Wie oft war ich wütend auf ihn und habe gedroht ihn zu verprügeln, wenn er nachts auf Wanderschaft war und uns schlaflose Nächte bereitete. Aber wenn er dann plötzlich  wieder mit seinem hocherhobenen, buschigen Ringelschwanz vor mir stand, war ich so glücklich und erleichtert, dass ich meine ausgestoßenen Drohungen vergessen habe. Natürlich hätte ich ihn niemals verprügelt, aber irgendwie musste ich meiner Angst Ausdruck verleihen um nicht durchzudrehen. 

Man liebt alle seine Tiere, aber einer ist doch der besondere Liebling. Das war für mich Flori, er war mein Baby, mein Strullibär, mein Schätzelchen. Ich glaube fast, er hat es gehasst, wenn ich ihn so genannt habe und geknuddelt werden wollte er auch nicht. Er sah mich dann immer sehr streng an oder dreht seinen Kopf ganz weg. Er konnte so „muffig“ dreinschauen, wer weiss schon, was ihn da beschäftigt hat. 

Irgend wann hatte er sich angewöhnt, in den frühen Morgenstunden zu mir ins Bett zu kommen und sich auf mich zu legen. Jeden Tag stand ich mit Rückenschmerzen auf, denn auch fünf Kilo zusätzlich auf der Wirbelsäule wirken sich auf Dauer aus. Wie gerne würde ich jeden Tag mit Rückenschmerzen aufstehen, wie gerne würden wir uns zu früher Stunde wecken lassen – wenn er nur wieder bei uns wäre. 

Eine Suzana, die wir nicht kennen, hat eine Kerze an Floris virtuellem Grab entzündet und folgendes Gedicht hinterlassen:

 

Es weht der Wind ein Blatt vom Baum,
von vielen Blättern eines,
dies eine Blatt, man merkt es kaum,
denn eines ist ja keines.

Doch dieses Blatt allein,
war ein Teil von unserem Leben,
drum wird dies eine Blatt allein
uns immer wieder fehlen.

 

Wir weinen uns in den Schlaf und wachen morgens auf und weinen wieder. Es ist so leer ohne ihn, die Plätze, an denen er gelegen hat sind verweist. Mittlerweile hat Robili den Sessel im Schlafzimmer belegt, den früher nur Flori benutzt hatte. Auch er vermisst ihn, da bin ich sicher. 

 

Doris hat dieses Gedicht an Flori`s virtuellem Grab hinterlassen:

 

They will not go quietly,
the cats who ve shared our lives.
In subtle ways they let us know
their spirit still survive.

Old habilts still make us think
we hear a meow at the door.
Or step back when we drop 
a tasty morsel on the floor.

Our feet still go around the place
the food dish used to be,
And, sometimes, coming home at night,
we miss them terribly.

And although time may bring new friends
and a new food dish to fill,
That one place in our hearts
belongs to them ...
and always will.

~Linda Barnes~